Straßen- hunde wollen nicht gerettet werden

Straßenhunde wollen nicht gerettet werden

„Straßenhunde wollen nicht gerettet werden.“ „Warum nimmt man ihnen die Freiheit?“ Solche oder so ähnliche Sätze haben wir in letzter Zeit sehr oft gelesen. Uns war es ein Bedürfnis dazu ein paar Zeilen zu schreiben. Nicht um die angespannte Situation in deutschen Tierheimen zu verschönern, denn die Luft brennt, keine Frage. Aber A kann man nicht alle Tierschutzvereine, die sich im Ausland engagieren über einen Kamm scheren und B wollten wir nochmal deutlich machen, dass man Deutschland mit den meisten Ländern zum Thema Tierschutz nicht vergleichen kann.

Derzeit ist so gut wie jedes deutsche Tierheim dermaßen voll, dass viele bereits einen Aufnahmestopp haben. Und zwischen den vielen frustrierten Texten, spürt man auch immer mehr eine geballte Ladung Wut gegenüber der Vermittlung von Tieren, die aus dem Ausland nach Deutschland vermittelt werden. Warum die meisten Tiere aus Ländern mit einer großen Straßentier-Problematik oft nicht im selben Land vermittelt werden oder warum man überhaupt im Ausland hilft, ist nochmal ein ganz anderes Thema, welches wir nochmal in einem weiteren Post thematisieren werden. Was wir nur immer mehr lesen sind Satze wie: „Straßenhunde wollen nicht gerettet werden.“ „Warum nimmt man ihnen die Freiheit?“ „Das Leben auf der Straße ist das, was sie kannten und mochten, wieso karrt man sie nach Deutschland?“ Hierzu würden wir gerne ein wenig mehr erläutern. Wir beziehen uns hierbei in erster Linie auf unsere Arbeit vor Ort in Rumänien und die Zustände dort, obwohl dies so auch auf viele weitere Länder zutrifft. Wir maßen es uns nicht an, zu behaupten, dass ein Tier gerettet werden möchte. Genauso wenig, wie wir das Gegenteil behaupten würden. Dieser Satz bezieht sich oft auf Hunde, die beispielsweise aus Panik im neuen Zuhause entlaufen sind, sich schwer mit der neuen Lebenssituation tun, im schlimmsten Fall zugebissen haben und dann oft überforderte Halter zurücklassen. Demnach kommt eben oft die Frage, warum man „solche Hunde“ überhaupt vermittelt, sie nicht einfach auf der Straße lässt. Warum nimmt man ihnen also die Freiheit? Um erst einmal eine einfache Antwort zu geben: Weil es sonst die Hundefänger tun oder viele elendig auf der Straße sterben würden.

Betrachten wir hierbei die Realität, wird man schnell feststellen, dass es die romantische Vorstellung von glücklich und gesund lebenden Straßentieren in den wenigsten Ländern gibt. In Rumänien werden vor allem Hunde verjagt, misshandelt, bestialisch eingefangen und landen mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Tötungsstation, wo sie brutal getötet werden. Und auch Hunde mit Besitzer haben in der Regel nicht das große Los gezogen. Hunde, die an fahrenden Autos/ Kutschen angebunden, die ein Leben lang an einer 1 m langen Kette gehalten oder denen Ohren abgeschnitten werden, damit sie den Hof besser bewachen, denn so sollen sie Menschen gegenüber aggressiver werden. Denen ein heißes Eisen auf den Nasenrücken gedrückt wird, weil sich der Mythos immer noch halt, dass dadurch Krankheiten abgewehrt werden, anstatt den Hund impfen zu lassen. Wir merken immer wieder, dass Vielen nicht bewusst ist, dass man die Zustände im deutschen Tierschutz mit dem Ausland nach wie vor nicht miteinander vergleichen kann. Wer selber das Elend vor Ort gesehen hat, weiß das. Und ja, wir stimmen dem zu, dass es leider immer noch viele „Tierschützer“ gibt, die Hunde vermitteln, die sie selber nie in real gesehen haben, die dann oft einen völlig anderen Charakter haben, bzw. mit einer totalen Fehleinschätzung nach Deutschland in ihre Familien reisen. Beschreibungen eines eigentlich traumatisierten Hundes, der als ein wenig vorsichtig beschrieben wird und der ganz sicher mit ein wenig Liebe und Geduld zu einem treuen Begleiter wird.

Wirklich stark traumatisierte, verängstigte Hunde, wird man nicht nur mit Liebe und Geduld und ohne das nötige Wissen, wie man mit so einem Hund arbeitet, zu einem Hund „hinbekommen“, der nach zwei Monaten den komplett durch getakteten Alltag mitmacht.
Die ganz „harten Fälle“ haben wir nicht in der Vermittlung, da wir diese, wenn nur intern auf unseren Hof holen würden, um hier mit ihnen zu arbeiten, um dann zu schauen, was Sinn ergibt bezüglich einer Vermittlung. Wir haben auch schon Hunde in Pflegestellen gehabt, die im Shelter kaum oder gar nicht anzufassen waren, und jetzt durch die Stadt laufen, als wenn sie nie etwas anderes gemacht hätten. Wir lernen jeden Hund selber vor Ort kennen, bevor er in die Vermittlung aufgenommen wird, anders ist es uns zu unsicher und Probleme sind vorprogrammiert. Das Problem an der Wurzel bekämpfen. Machen wir, dauerhafte Kastrationskampagne, Aufklärungsarbeit vor Ort, viel, viel wichtiger als Vermittlungen. ABER: Wir sind vor Ort und sehen unsägliches Leid. Ein Hinterhof. Ein kleines, mickriges Etwas, mehr tot als lebendig, an einer 50 cm langen Kette. Wir sollten uns umdrehen und weggehen, denn die Mutterhündin wurde bereits kastriert, hier wird es keine Welpen mehr geben, nachhaltig gehandelt, erledigt. Es sind Minusgrade, Schnee und die Frage, ob es der Kleine überleben wird begleiten uns.

So einfach ist es nämlich nicht, Nein zu sagen, unsere Tierschützer vor Ort erleben das jeden Tag und werden mit Dingen konfrontiert, die sich kaum niederschreiben lassen. Es ist KEIN Vergleich zudem was sich hier in Deutschland abspielt!!!
Heute ist Montag, am Wochenende saß ich, alleine auf unserem Hof, der immer noch eine große Baustelle ist, mit 12 Hunden. Darunter auch Hunde, die teils besser gestern als heute wieder „wegsollten“. Eigentlich wären es sogar 13 Hunde. Aber Viktor, ein Rüde, der unverschuldet sein fest geglaubtes Zuhause verloren hat, ist nur bedingt verträglich mit Artgenossen und sitzt derzeit in einer Pension, die von uns bezahlt wird und wo auch wir die weitere Vermittlung und Verantwortung übernehmen. Ich verpasste eine Hochzeit von Freunden, auf die ich mich schon lange gefreut hatte. Nebenbei versuchte ich zu arbeiten, was kaum möglich war, da wir hier keine Zwinger haben und man die Meute im Blick haben muss. Wir hatten auch schon Hunde, die wir separieren mussten, andere, die eine Rundum Betreuung brauchten etc. … und nein, wir machen das nicht beruflich, sondern alles rein ehrenamtlich.

Neben Alltag und Jobs. Alles nicht optimal und wir haben auch nicht selten das Gefühl nicht mehr zu können oder auch zu wollen. Aber: Wir als Verein sind für die von uns vermittelten Tiere ein Leben lang verantwortlich. Und das bedeutet für uns eben viele Einschränkungen.
Einschränkungen, die viele Vereine, die Menschen dahinter, nicht auf sich nehmen, und so landen dann zum Beispiel Tiere aus dem Ausland, die eigentlich einen verantwortlichen Verein haben (sollten), doch im deutschen Tierheim. Wer das nicht so sieht, mit der Verantwortung, der vermittelten Tiere und keinerlei Kapazitäten hat sich auch um potenzielle Rückläufer zu kümmern, sollte unserer Meinung nach sehr stark darüber nachdenken (im besten Fall vor einer Vermittlung), ob die Vermittlung so Sinn macht. Und ja, auch bei uns gibt es Rückläufer, das bleibt leider nicht aus, so streng man auch kontrolliert und aufklärt. Unsere Rückläufer waren übrigens fast alles Hunde, die vorab von den Adoptanten in einer Pflegestelle kennengelernt wurden, da hier auch viel gemutmaßt wird, dass Hunde aus dem Ausland sicherlich wegen einer Direktadoption (also eine Adoption, von einem Tier, dass vorher nicht selbst kennengelernt wurde und direkt aus dem Ausland Zuhause einzieht) wieder abgegeben werden. So oder so: Die deutschen Tierheime sind voll. Und für uns war dies unter anderem auch ein Anlass seit Ende Juni die reguläre Vermittlung einzustellen und nur noch die Tiere zu vermitteln, die bereits in Deutschland auf Pflegestellen sind. Auch davor gab es bei uns kein „Wir vermitteln um jeden Preis.“

Ob hier, in Deutschland etwas passieren muss, steht wohl außer Frage: Illegaler Welpenhandel, dubiose Vermehrer, selbsternannte Hobbyzüchter, Qualzuchten, die weiterhin gekauft und „produziert“ werden dürfen und und und. Unterstützt sowas bitte nicht. Adoptiert ein Tier, geht in Tierheime und schaut euch dort um. Bei sich anfangen. Euer Umfeld darüber aufklären. Meldet fragwürdige Anbieter und bleibt wachsam. Aber die Frage, ob ein Hund vor dem sicheren Tod oder aus furchtbaren Lebensbedingungen gerettet werden möchte oder nicht, zeugt angesichts unserer Erfahrungen vor Ort von ungemeinem Zynismus, Vorurteilen oder Unwissenheit.

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